Breslauer Platz in Köln besetzt: Protestaktion gegen den Verkauf der Wagenplätze „Wem gehört die Welt“ am Hansaring und der „Osterinsel“ in Ehrenfeld.
Am Samstag, den 6. Oktober hielt eine Gruppe aus etwa 150 Personen mit 30 Fahrrädern und ca. 10 Lastwagen und Bussen den Breslauer Platz über mehrere Stunden besetzt. Kaum angekommen, luden die Besetzer*innen eilig Utensilien, wie Sofas, mit Fotos beklebte Stellwände und sogar eine Tischtennisplatte aus. An den Fahrzeugen hatten sie Transparente befestigt, auf denen „Wagenplatz bleibt“ und „Köln liebt seine Bauwagenplätze“ zu lesen war. Den verdutzten Passant*innen wurden Flugblätter in die Hand gedrückt, die über die Situation der Kölner Wagenplätze sowie des Autonomen Zentrums informierten. Es gesellten sich viele Passant*innen zu den bunten Protest und unterstützten das Anliegen.
Auf Nachfrage erklärt Sarah Scherbach vom Wagenplatz „Wem gehört die Welt“: „Es ist einfach unglaublich, wie die Stadt die Verantwortung für sozialen Wohnraum zu sorgen, gegen uns ausspielt! Wir sind wütend, denn hier geht es ganz klar darum, alternative Lebenskonzepte aus der Stadt zu drängen. Nicht nur wir sollen weg, sondern auch unsere Freund*innen von den anderen Wagenplätzen „Osterinsel“, „Schöner Wohnen“ in Deutz und „Am Faulbach“ in Mülheim. Das werden wir nicht hinnehmen, und um das zu zeigen, sind wir heute hier!“
Leider wurde der erkämpfte Freiraum von der Polizei Köln nicht akzeptiert. Der friedliche Protest wurde bereits nach 4 Stunden eingekesselt und die Fahrzeuge am Wegfahren gehindert. Außerdem wurde eine Person gewaltsam festgenommen, jedoch nach kurzer Zeit wieder freigelassen. Erst nachdem die Personalien aller Fahrzeughalter*innen festgestellt waren, wurde der Kessel aufgelöst. Die Besetzer*innen bewerten das Vorgehen der Polizei als absolut unverhältnismäßig und brutal.
Die Aktion war Teil des Vernetzungs- und Aktionswochenende „RabAZ“, bei der linksgerichtete Gruppierungen für den Erhalt des Autonomen Zentrums Köln und der Kölner Wagenplätze protestieren. Dazu finden das ganze Wochenende über Aktionen sowie eine Großdemonstration am Sonntag, den 7.10. statt.
Aktuelle Infos: Die Wägen befinden sich jetzt auf dem neu eröffneten Grünstreifen „Am Autonomen Weg“ rechts vom Autonomen Zentrum und stehen für Presseanfragen zu Verfügung.
Informationen zur Situation der Wagenplätze:
Die Stadt Köln will das Gelände des Bauwagenplatzes Wem gehört die Welt verkaufen und zeigt sich unfähig, einen Dialog oder Ersatzgrundstücke anzubieten.
In einem Artikel des KStA vom 9.11.2016 über den Bauwagenplatz (BWP) an der Krefelder Straße durften der Leiter des Amtes für Liegenschaften Detlef Fritz und der Geschäftsführer des Arbeiter-Samariter-Bundes (ASB) Köln, Peter Stegmaier, kräftig die Werbetrommel für einen Verkauf des Geländes an den ASB Köln rühren. Traurigerweise erfuhren wir lediglich auf diese Weise von der widerlichen Umgehensweise mit dem mittlerweile wohl wirtschaftlich wertvollen Grundstück, auf dem wir leben.
Als Bewohner*innen des Bauwagenplatzes leben wir seitdem (!) mit dieser Bedrohung unseres Lebensraumes. Das Gelände – eine ehemalige Brache zwischen Stadtautobahn und Einsenbahngleisen – wurde vor 24 Jahren von einem Kollektiv bezogen. Dies geschah im Einverständnis der Stadt Köln und war als Provisorium gedacht. Zu einer endgültigen Einigung kam es nie. Nun versucht die Stadt, Versäumnisse der letzten Jahrzehnte (z.B. im sozialen Wohnungsbau) zu kompensieren und kratzt die letzten städtischen Flecken zusammen, die noch irgendeinen Marktwert erzielen, um Verantwortungen abzuwälzen und so – zumindest formell – erledigt zu wissen. Unter all den zu verhökernden Geländen ist das unsrige das einzig bewohnte: Wir sind eine Gemeinschaft von ca. 35 Menschen zwischen 1 und 60 Jahren. Wir wohnen in Bauwagen, Lastern oder anderen selbst(aus)gebauten Gefährten. Nicht weil wir müssen, sondern weil wir diese Lebensform gewählt haben und genau so leben möchten. Wir organisieren uns und unsere Aktivitäten komplett selbst. Als kulturschaffendes Kollektiv sind wir eine zentrale Institution im Stadtviertel und sogar über Landesgrenzen hinweg. Und das nicht nur auf einer marginalen, subkulturellen Ebene. Wir veranstalten unkommerzielle Konzerte, Lesungen, Ausstellungen, Film- und Diskussionsabende und ermöglichen so einen alternativen Raum für künstlerisches Schaffen und gesellschaftlichen Dialog. Dieser wird sowohl von unseren Nachbar*innen als auch Besucher*innen aus Köln und Umland sehr geschätzt. Wir beherbergen außerdem Gäste, Musiker*innen auf Tour, Menschen auf der Reise, Menschen, die ihr Zuhause aus verschiedensten Gründen verlassen mussten.
Im Alltag und im Zuge von Veranstaltungen engagieren wir uns entschieden gegen Rassismus, Sexismus, Homo- und Transphobie.
Eine Petition für den Erhalt unseres Platzes wurde von mehr als 14.000 Menschen unterzeichnet.
Auf einen Dialog mit Verantwortlichen der Stadt Köln warten wir seit Jahren vergeblich. Auf der städtischen Seite hat sich noch nicht einmal eine Ansprechperson für uns gefunden. Gespräche über ein alternatives Gelände werden genau so wenig ermöglicht. Die Stadt verwickelt sich dabei immer wieder in komplett widersprüchliche Aussagen und Positionierungen – mit der in Köln nie fehlenden Portion Klüngel. Einem sozialen Wohnungsbau lässt dies auf pessimistischste Weise entgegenblicken – so wie auch die Erfahrungen von Verkäufen und Bauprojekten in anderen, schon ganz gentrifizierten Stadtvierteln vermuten lassen, z.B. das Haus Baden in Deutz. Dort ließ sich der Rat der Stadt Köln dazu hinreißen, bezahlbaren Wohnraum für mehr als 1.000 Menschen im Barmer Viertel unwiederbringlich zu vernichten, um dann 10 Jahre auf einen Bürogebäude-Investor zu warten. Das Gelände dient seitdem als Parkplatz, der mitunter als Kundgebungsort von Pro Köln genutzt wurde. Herzlichen Glückwunsch! In Ehrenfeld wird luxuriöser statt sozialer Wohnraum gebaut (z.B. Phillipstr./Stammstr.); oder eine weitere REWE-Filiale, 350m enfernt von der nächsten, wie z.Zt. in der Hansemannstr. Hier wurden u.a. die Altbauten links und rechts der Baustelle substantiell beschädigt.
Der Bauwagenplatz Osterinsel in Ehrenfeld wird genauso malträtiert: In dem aktuellen Bebauungsplan der Stadt wird der 2004 ratifizierte Bürger*innenbescheid – und somit eine basisdemokratische Strukturn – hintergangen. Auch die partielle Grundstückseigentümerin REWE hält sich nicht an Absprachen, anderweitige Nutzungen des Geländes oder sonstige existenzielle Informationen über den aktuellen Status den nun seit 15 Jahren dort lebenden Menschen zu kommunizieren. Ebenso die Stadt Köln: keine Ansprechperson, keine Zuständigkeit, kein Gehör.
Wir solidarisieren uns ebenfalls mit dem Autonomen Zentrum (Luxemburger Str.), dem auch mit Räumung gedroht wird, ohne dass es konkrete und realistische Angebote für Ersatzräume gegeben hätte.
Durch die Räumung dieser Projekte wären die letzten Räume einer freien, alternativen Gestaltung von künstlerischer und gesellschaftspolitischer Betätigung in der Kölner Innenstadt verloren.
Um auf unsere Situation aufmerksam zu machen, greifen wir zu vielen verschiedenen Mitteln. Solange uns ein zielgerichteter Dialog mit der Stadt Köln verwehrt bleibt, stützen wir uns auf die große Solidarität in der Bevölkerung und demonstrieren unsere Präsenz im öffentlichen Raum.