AktivistInnen des Autonomes Zentrums besuchen „Tag des Ehrenamtes“

PRESSEMITTEILUNG

Wir, verschiedene Menschen aus Zusammenhängen des Autonomen Zentrums Köln haben am 25.09.2011 den Ehrenamtstag der Stadt Köln auf dem Heumarkt besucht. Wir nahmen diesen Tag zum Anlass, auf die aktuellen Entwicklungen der Bebauungspläne für das Gelände des AZ in der Wiersbergstraße 44 in Kalk hinzuweisen. Diese Pläne sehen seitens der Stadt den Abriss des Gebäudes für einen Grünstreifen vor. Wir nahmen diesen Tag deshalb auch zum Anlass auf die letzten anderthalb Jahre hinzuweisen, in denen viele Menschen trotz Repression und Kriminalisierung, unendlich viele Stunden damit verbrachten, dass AZ zu gestalten und ihre Ideen dort zu verwirklichen.

Das AZ Köln ist ein selbst-organisierter kultureller, künstlerischer und politischer Ort, in dem sich Menschen Räume schaffen und Räume nutzen können. So gab es seit der Besetzung im April 2010 bis heute über 2000 Veranstaltungen, die von zehntausenden Menschen, aus Köln, NRW und darüber hinaus, besucht wurden. Beispiele hierfür sind Partys, Konzerte, Vorträge, Diskussionsveranstaltungen, Fahrradwerkstatt, Umsonstladen, Kino, oder Nachbarschaftsarbeit.

Als Zeichen unseres Protestes haben wir bei Beginn der Eröffnungsrede von Oberbürgermeister Jürgen Roters ein Banner mit dem Schriftzug „1,5 Jahre kriminalisiertes Ehrenamt AZ Köln – ist doch Ehrensache“ entrollt.

Zusätzlich haben wir Flyer mit Kritik am Ehrenamt und Informationen zum Autonomen Zentrum Köln verteilt. Die Aktion ist insgesamt sehr positiv aufgenommen worden, es entwickelten sich viele Gespräche mit Menschen, die das AZ bisher noch nicht kannten oder kritisch gegenüberstehen.

Nach seiner Ansprache haben wir OB Jürgen Roters neben der Bühne abgefangen um auch ihm zum Abschluss einen Flyer zu überreichen und daran zu erinnern, dass wir immer noch da sind und nicht Vorhaben zu gehen. Ob seine in diesem Moment getätigte Aussage „das Gesprächsband ist noch nicht gerissen“ Hand und Fuß hat bleibt insofern fragwürdig, da wir bis heute nichts davon gemerkt haben, dass ihm das AZ „eine Herzensangelegenheit“ ist (OB Roters vor der Besetzung und der OB Wahl)

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und hier noch eine kritische Stimme zum Thema ehrenamtliche Arbeit…

Die Funktion des Ehrenamtes im Zeichen des „Neuen Sozialstaats“ Eine Lehrstunde in deutscher Ideologie in Zeiten des Neoliberalismus

Dass ehrenamtliches Arbeiten tief in der deutschen Gesellschaft verwurzelt ist, sieht man an der Tatsache, dass viele Menschen ehrenamtliches Engagement zeigen. Etwa 1,5 Millionen Bewohner dieses Landes leisten unentgeltliche Arbeit, meist im sozialen Bereich.  Dass dabei ehrenamtliche Arbeit jedoch oft eine privilegierte Angelegenheit ist und sehr stark vom Bildungsniveau (37% mit Abitur oder Hochschulabschluss) sowie von gut situierten Menschen ausgeübt wird, zeigt, dass sich ehrenamtliche Arbeit nur diejenigen leisten können, die nicht selber auf unbezahlte Hilfeleistungen angewiesen sind oder schlichtweg keine Zeit haben, da Sie mit dem eigenen Überleben beschäftigt sind. Schlimmer noch, die Bundesregierung hat jüngst einem Hartz-4 Empfänger ehrenamtliche Arbeit „schmackhaft“ gemacht, indem Aufwandsentschädigungen für ehrenamtliches Engagement künftig als Einkommen voll auf den Hartz-IV-Regelsatz anzurechnen sei.

Wenn Wolfgang Schäuble in einer Feierstunde für Ehrenamtliche Arbeit dabei den „perfektionistischen Sozialstaat“ für den Verlust an solidarischen Kräften verantwortlich macht und als Ausweg ein „wechselseitiges Geben und Nehmen im persönlichen Austausch“ empfiehlt, so geht es Ihm um einen qualitativen Umbau des Sozialstaates. Legitimiert wird diese ideologische Vereinnahmung des kommunitaristischen Gedankenguts durch die angeblich drohenden Kollaps des „Sozialstaates“ und den unbedingten Willen staatliche Schulden abzubauen, indem man eine Umverteilung von Oben nach Unten forciert. Das jedoch noch genug Geld für Bankenrettung und Investitionen für den Wirtschaftsstandort Deutschland da ist, führt das Geschwätz von leeren Kassen ad absurdum.

Vielmehr soll Stütze in „Bürgergeld“ und Arbeitszwang (Hoppensack/ Wenzel) in „Bürgerarbeit“ um etikettiert werden. Das dieses neue Modell  nicht in die Bürgergesellschaft des nächsten Millenniums, sondern in die Armenfürsorge des 19.Jahrhunderts führt, wird dabei billigend in Kauf genommen und auch immer mehr ideologisch verfestigt.

“ Je mehr Bürgerarbeit verpflichtungsethisch aufgeladen wird, flankiert durch verschärfte Zumutbarkeitsanforderungen im Rahmen von Sozial- und Arbeitslosenhilfe und eingebunden in eine Niedriglohnstrategie zur Verbilligung von personen- und haushaltsbezogenen Diensten, desto eher werden Arbeitsplätze im sozialen Dienstleistungssektor vernichtet, vor allem Frauen in Niedriglohnbereiche abgedrängt und die Leistungen selbst disqualifiziert. Das Konzept der Bürgerarbeit hätte dann eine doppelte Funktion: „den Rückzug des Staates aus seinen Verpflichtungen nicht nur zu verschleiern, sondern moralisch auch noch zu rechtfertigen“ (Klammer/Bäcker,367); und den Weg in eine re-feudalisierte Gesellschaft zu weisen, „in der der Lebensstil und –standard der Wohlhabenden durch eine moderne Dienstbotenklasse abgesichert wird.“ (363)“ (Joachim Döbel)

Wie jedoch eine „Neue Gemeinschaft“ aussehen mag,  bringt dabei die Bremer Hochschullehrerin Sibille Tönnis wohl am besten auf den Punkt, wenn Sie sagt:

„Im Gegensatz zu den USA führt in Deutschland die Radikalisierung kommunitaristischen Gedankenguts historisch nicht in die prinzipielle Gleichberechtigung aller Menschen, sondern in eine hierarchisch gegliederte Gesellschaft.“ Und sie fährt fort: Der kommunitaristische Zeitgeist „ist noch immer gegen das staatliche Gewaltmonopol eingenommen, weil man sich zu viel von Bürgerbewegungen verspricht und den Bürgerkrieg zu wenig fürchtet.“ (Tönnies, 19)

Was ist zu tun?

Um nicht in die Falle zwischen Rückbesinnung auf den Staat als Garant für sozialstaatliche Leistungen auf der einen und einer menschenverachtenden Individualisierung gemeinschaftlicher Aufgaben auf der anderen Seite zu tappen, ist es wichtig eine Gesellschaft anzustreben, die die Klassenunterschiede wirklich angreift und versucht  aufzulösen. Denn erst, wenn Menschen anfangen ihr Leben selbstverwaltend und hierachiefrei zu gestalten, kann eine wahre solidarische Gesellschaft entstehen.

Einen historischen Wink zur Neugestaltung einer anderen Gesellschaft könnten uns vielleicht die von Anarchistinnen kontrollierten Gebiete in Spanien um 1936 geben. Hier wurden alle Lebensbereiche, ob in der Fabrik oder auf dem Land kollektiviert und von denjenigen Menschen verwaltet, die an der Gestaltung und Produktion in diesen Betrieben tätig waren. Auf einer horizontal ausgelegten Hierachiebene gelang es in dieser Zeit die Produktivität zu erhöhen  und eine Verteilung der Produkte auf alle Gebiete gleichermaßen zu gewährleiten.  Dieses Modell stand dabei radikal gegen die Idee Produkte für den Markt zu erschaffen sondern war in erster Linie für die Bedürfnisse der Menschen gedacht. Das der Kapitalismus jedoch trotz weltweiter Produktionssteigerung es nicht geschafft hat, selbst die essentiellsten Bedürfnisse der Menschen nach Nahrung und einem Haus über den Kopf zu befriedigen, müsste uns doch deutlich zeigen, dass dieses Wirtschaftssystem nicht mehr zu retten ist und auf den Mülleimer der Geschichte gehört.

In diesem Sinne: Selbstverwaltung in allen Lebensbereichen: Hier und Jetzt!

 

 

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