„Einblicke in eine andere Welt“

In der Community von derFreitag haben wir einen schönen Erlebnisbericht eines AZ Besuchers gefunden welchen wir euch nicht vorenthalten wollen. Der Titel des Beitrags ist „Autonomes Zentrum – Einblicke in eine andere Welt“:

Wenige Menschen kommen uns entgegen, als wir die lange Straße entlang gehen und vor einer Kneipe halt machen. Die Transparente, die von der Fassade der ehemaligen Kantine hängen, sprechen eine eindeutige Sprache. Besetzung, Forderung und gleichzeitig Gruß an die anderen. Wir sind diese anderen, die sich in eine neue Szene begeben. Wir folgen der Straße, der Blick fällt auf einen grün-silbernen Streifenwagen der seine Runden dreht. Der Blick fällt auf hochgewachsene, bullige, maskierte Männer, komplett in Schwarz, die dem Streifenwagen hinterher sehen. Wir erkundigen uns nach dem Eingang zum Autonomen Zentrum und erhalten freundliche Auskunft. Benehmen, welches man von Hausbesetzern erwartet?

Wiesbergstraße, Samstag, 23.30Uhr. Die Fassade sieht nicht mehr aus, wie die einer ehemaligen Werkskantine. Wo früher Vorhänge die großen Fensterscheiben schmückten, erstrahlen nun farbenfrohe und grelle Graffiti. Sie heißen Vorbeigehende in mehreren Sprachen willkommen. „Welcome, Willkommen, Khoshumadi, Bienvenidos “ Wenige der vielen verschiedenen Grußformen, welche die Fensterscheiben schmücken, auf dem Dach des Hauses wehen Transparente, die die Besetzung des Gebäudes verkünden. Besetzung, Hand in Hand mit Offenherzigkeit und einer offenen Tür für jeden. Sie verstecken sich nicht und maskieren sich nicht. „Hier ist jeder willkommen“, verrät einer der anwesenden Besetzerinnen. Sie gehören zur Gruppe Pyranha, kämpfen für Gleichberechtigung und gegen Rassismus und Faschismus.

„Kein Mensch ist illegal“, verkündet ein Plakat von den Wänden der ehemaligen Essensausgabe, die jetzt als Chill-out Area dient. Die beiden Essenssäle wurden umgewandelt zu Treffpunkten für Menschen mit der selben geistigen Einstellung. Man findet einen „Zeckenshirt“-Laden, einen Infopoint, eine Wand wurde zum Veranstaltungsplan umgewandelt, eine andere zu einem großen schwarzen Brett.

Offenheit,Toleranz, Interesse an Politik, sozialen Problemen oder sozialer Ungerechtigkeit finden hier einen Platz. „Die Kampagne will einen Raum schaffen, der frei ist von kapitalistischem Leistungsdruck und Verwertungslogik.“

Unser Gang führt uns weiter durch die Räume der ehemaligen Großkantine. „Wir haben in der ersten Woche hier nur geputzt und alles wieder in Stand gesetzt“, verkündet ein 17jähriger. „Ich bin seit einer Woche fast jeden Tag hier.“

Man kann es nicht beschreiben, aber in der Luft liegt eine Spannung. Eine Begeisterung, die einen zwangsläufig in ihren Bann zieht. Im ehemaligen Keller steht einer junger Mann mit Rastafrisur an den Turntables und bedient die Anwesenden mit feinster Electro-Musik. Das Bild der Anwesenden ist unterschiedlich. Das äußere Auftreten lässt sich nicht auf ein bestimmtes Klichee beschränken. Während wir durch die verschiedenen Räume gehen, begegneten Personen in Anzügen, Leute mit Haaren in verschiedenen Farben und Längen, aber auch Leute, die man sich ohne Probleme in einer Szene des Films „Hooligans“ vorstellen kann. Äußerlich vereinigt sie wenig, im Inneren suchen sie das Selbe. Einen Raum zur Entfaltung, einen Raum, der nicht von vorne rein determiniert ist durch die Gesellschaft. Klassenlosigkeit, Staatenlosigkeit, es zählt nicht wer du bist oder wo du herkommst. Es zählt, was du machst und wie du denkst. „Von vorne rein ist hier jeder gleich. Wir sind in erster Linie Menschen.“

Der Geruch von Essen dringt einem in die Nase, auf Kochplatten machen sich manche schnell etwas zu essen, andere waschen Geschirr ab und der Müll wird getrennt. „Wir wollen eine Legitimation von der Stadt und von den Besitzern dieses Gebäudes. Wir wollen nicht negativ auffallen, deswegen soll jeder seinen Müll wieder mitnehmen und wir laden jeden unserer Nachbarn zu uns ein, um sich ein Bild zumachen“, erzählt mir eine junge Frau.

Fakt ist für das Gebäude, welches momentan illegal als Autonomes Zentrum Kalk verwendet, wird gibt seitens des Besitzers, einer Tochterfirma der Sparkasse Köln Bonn keine Nutzungspläne. „Unser Ziel ist den Status der Besetzung in einer Kooperation oder eine Mieterverhältnis umzuwandeln. Wir wollen legitimiert werden, aber autonom bleiben.“ Ziel ist es einen Raum zu schaffen für Politik, Kunst und Kultur.

Unsere letzten Schritte führen uns zurück in einen der Hauptsäle, wir werden von den Leuten mit denen wir geredet haben, mit denen wir diskutiert haben, freundlich verabschiedet. Draußen auf dem Vorhof sitzen einige Leute um ein Lagerfeuer herum, manche spielen Gitarre, manche hängen ihren Gedanken nach und über dem allen liegt ein Mantel der Akzeptanz.

Wir verlassen das Gelände der Werkskantine und befinden uns wieder in einer Welt in der es zählt wer wir sind und wo wir herkommen. Eine Welt in der entscheidet, was der Vater verdient, welche teuren Markenklamotten man trägt und wie viel Autos man in der Garage hat oder mit wie vielen verschiedenen Partnern man animalischen Geschlechtstrieben nach gegangen ist.

Quelle: P.H.X Robinson @ derFreitag

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