„Eine Gesellschaft, in der die bewaffnete Staatsmacht dafür sorgt, dass ein Haus seinen menschlichen Zweck nicht erfüllt, ist offenkundig verrückt.“
Seit 77 Tagen besteht das Autonome Zentrum in Köln-Kalk. In dieser Zeit haben – ganz ohne Übertreibung – zigtausende Besucher_innen in über 180 Veranstaltungen diesen besonderen Ort genutzt und selbst mitgestaltet. Das erste rechtsrheinische Kino wurde gegründet, in zahlreichen Workshops wurden Fähigkeiten weitergegeben, die wöchentliche Arbeitslosenberatung half vielen Menschen bei Problemen mit der ARGE, dutzende Konzerte verschafften lokalen Bands endlich kostenlose Auftrittsmöglichkeiten, Ausstellungen fanden ihr Publikum, politische Gruppen nutzten das Haus für ihre Arbeit – alles selbstverwaltet und unkommerziell, ohne einen Cent von der Stadt. Die Idee eines Ortes, an dem Menschen unabhängig von ihrem Geldbeutel Kultur genießen und schaffen können, ist angekommen. Das Autonome Zentrum ist seit seiner Gründung am 16. April 2010 ein voller Erfolg.
Dass dazu ein Gebäude illegal besetzt wurde, ist die eine Sichtweise. Dass die Stadtsparkasse dieses Gebäude seit fast 10 Jahren verrotten lässt und es nun zum ersten Mal wieder sinnvoll genutzt wird, die andere. „Eine Besetzung ist der falsche Weg“ erklärte uns OB Roters im gestrigen Gespräch. Wir finden: nach 1 ½ Jahren erfolgloser Gesprächsgesuche durch die Kampagne Pyranha war die Besetzung der einzig richtige Schritt.
Dabei haben Stadt und Stadtsparkasse in den letzten Jahren immer wieder eindrucksvoll bewiesen, dass aus illegalen Aktionen Recht werden kann. Ob Oppenheim-Esch, Verkauf der Messehallen, unzulässige Gutachten zum Ausbau des Godorfer Hafens oder das Müllverbrennungsmonster: sobald es um Millionenbeträge geht, drückt man gerne mal alle Augen zu. Doch wenn ein ungenutztes Spekulationsobjekt mit Leben gefüllt wird, ruft man nach der Polizei. Die Doppelmoral wird dabei fleißig durch Lügen gestützt: trotz anderslautender Fakten will niemand etwas von einer geplanten Räumung gewusst haben; unbewiesene und von Architekten und Statikern offiziell widerlegte „bauliche Mängel“ werden vorgeschoben; in Pressemitteilungen werden Gelder „abgelehnt“, die nie von uns gefordert wurden.
Zur Erinnerung: von den Besetzer_innen des „Sozialen Zentrums Pingutopia“ am Eifelwall (2004) wurde eine Zwischennutzung vorgeschlagen – doch das Gebäude wurde noch am Tag der Räumung abgerissen und lag dann 3 Jahre als Schutthalde herum. Die 200 frisch renovierten Wohnungen des Barmer Blocks wurden nach der Besetzung 2006 ebenfalls abgerissen – seitdem kann man dort „Deutschlands teuersten Parkplatz“ bewundern. Wird es mit der Wiersbergstraße genauso laufen? Ein weiteres Brachgelände in Kalk scheint Stadt und Stadtsparkasse lieber zu sein als ein kostengünstiges kulturelles Angebot im sogenannten „Problemstadtteil“.
Wir sind stinksauer. Während wir seit vielen Wochen mit Entscheidungsträgern aus dem Kölner Rat und der Kalker Bezirksvertretung über eine Legalisierung des Autonomen Zentrums verhandeln, hat ein kleiner Kreis aus SPD, Stadtverwaltung und Stadtsparkasse schon lange beschlossen: das AZ soll geräumt werden.
Das Gespräch mit Jürgen Roters am letzten Donnerstag war unter diesen Vorzeichen nur mehr eine Farce, die Ergebnisse standen schon lange vorher fest. Es war ein seltsames Spiel: sobald wir gute Argumente gegen die Bedenken des Oberbürgermeisters vorgebracht haben, wurde das Thema gewechselt. Damit ist für uns klar, dass OB Roters kein Autonomes Zentrum will. Sein Wahlkampfgeschwätz, ein Autonomes Zentrum sei ihm „eine Herzensangelegenheit“, ist damit endgültig als Lüge enttarnt und kann zu den zahlreichen anderen Lügen (wie war das mit der Kulturförderung?) abgelegt werden.
Dass OB Roters dabei seinen Koalitionspartner hintergeht, bedarf keines Kommentars – Dienstag morgen sollte das AZ ohne Wissen der Grünen-Fraktion geräumt werden. Nachdem wir über verschiedene Kanäle mobilisiert haben, sagte die Polizei die Räumung noch in der Nacht zu Dienstag ab. Wir, die Nutzer_innen des Autonomen Zentrums, haben eine Stärke erreicht, die weit über militantes Gebahren hinausgeht.
Das Autonome Zentrum kommt – so oder so. Wir sind weiterhin offen für Verhandlungen. Wenn es aber kein Interesse gibt, über eine Legalisierung des Gebäudes zu sprechen, bleiben wir eben illegal. Wenn das besetzte Gebäude in der Wiersbergstraße geräumt wird, besetzen wir eben ein anderes. Und wenn Herr Roters nicht versteht, warum wir das alles machen, werden wir ihn gerne immer wieder besuchen, um das zu erläutern.
Unser Dank gilt allen Menschen, die uns seit vielen Wochen ernsthaft und mit großem Engagement begleiten und unterstützen. Der Kampf um ein Autonomes Zentrum hat gerade erst begonnen. Wir sehen uns auf der Straße. Wir sehen uns im Autonomen Zentrum.
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