29.12.2022
Seit mittlerweile über 1,5 Jahren verhandeln Vertreter:innen des Autonomen Zentrums mit der Stadt Köln über einen möglichen neuen Standort in Köln-Kalk. Bei den Verhandlungen geht es um die Liegenschaft In den Reihen 16, der ehemaligen Zentrale der rechtsrheinischen Gas- und Wasserversorgung. Auch wenn der Standort zunächst interessant und sogar realisierbar erscheint, treten im Zuge der Verhandlungen mehr und mehr Probleme und Hindernisse auf.
Eine Grundproblematik stellt die zukünftige vertragsrechtliche Nutzung des Geländes dar. Die Stadt Köln forciert hierzu eine Erbbaurechtsbestellung. Dazu Sabrina Purple, Sprecher:in des AZ:
„Das Erbbaurecht sieht die jährliche Zahlung eines Erbbauzins vor. Eine solche Zahlung kann im Kontrast zu unseren politischen und antikapitalistischen Ansprüchen stehen. Wenn die jährliche Zahlung eines Erbbauzins einen erhöhten finanziellen Druck erzeugt, käme sie für uns letztlich einer Mietzahlung gleich. Ein unkommerzieller und nicht auf Profit ausgerichteter Raum kann und will keinen Gewinn erwirtschaften. Wir sind ein gemeinwohlorientierter und ehrenamtlich bzw. selbstorganisierter Raum und fordern, dass dies bei der Festlegung des Zinssatzes anerkannt wird.“
Weitere Probleme mit der Anwendung des Erbbaurechts ergeben sich auch an anderer Stelle:
„Aktuell befindet sich das Liegenschaftsamt in Verhandlungen mit verschiedenen linken Projekten Kölns, um diese über das Erbbaurecht zu realisieren. Darunter das Hausprojekt LC36 am Hans-Böckler-Platz, das Allerweltshaus in Ehrenfeld oder der sozialistische Selbsthilfe Mühlheim.“, so Kim Rothfuß, ebenfalls vom AZ Köln. „Bei allen Projekten zeigt sich, dass die jeweiligen Vertrags- und Erbbaurechtskonditionen völlig unterschiedlich, willkürlich und intransparent vergeben werden. Das liegt daran, dass die Kölner Stadtverwaltung noch gar kein ausgearbeitetes Konzept zur Hand hat, nach dem sich die Maßgaben für soziale, unkommerzielle und gemeinwohlorientierte Projekte im Erbbaurecht ableiten lassen.“
Demnach erscheint die Anwendung des Erbbaurechts in Köln noch völlig ungeregelt und konzeptlos, was nicht nur ämter- und verwaltungsintern, sondern auch bei den jeweiligen Projekten viele Fragezeichen hervorruft.
Ein anderes Hindernis stellt die aktuelle Nutzung des Geländes dar. Laut aktuellen Informationen der Stadtverwaltung bestehen insgesamt über 40 Gewerbemietverhältnisse. Diese regeln die Anmietung von Lager-, Büro- oder Proberäumen. Auch diverse Kleingewerbe, Kultur- und soziale Vereine sowie eine Kampfsportschule haben ihren Standort in den Reihen 16.
Dazu Sabrina: „Für uns stellt sich unmittelbar die Frage: Was passiert mit all den Mieter:innen, die aktuell auf dem Gelände ihre Räume haben? Dazu hat die Stadt bis heute keine Antwort. Schlimmer noch: Die Kölner Stadtverwaltung hat es nicht für nötig gehalten, die aktuellen Mieter:innen über die laufenden Umstrukturierungspläne in Kenntnis zu setzen.“
Viele der Mieter:innen erfuhren erst von den Plänen, nachdem von Seiten des AZ zu einem gemeinsamen Austauschtreffen eingeladen wurde.
„Bei unserem ersten Treffen mit den Mieter:innen war die Verwunderung bei den meisten Anwesenden doch sehr groß, als diese durch uns erfahren mussten, wie konkret die Stadt Köln bereits den Umzug des AZ an den Standort in Kalk plant.“, berichtet Tito von der Delegationsgruppe des Autonomen Zentrums, welche sich auch in Zukunft mit der dortigen Mieter:innengemeinschaft treffen und austauschen wird.
„Bis vor Kurzem war der Planungsstand, dass das gesamte Gelände perspektivisch aufgeteilt werden soll. Die eine Hälfte solle an das Autonome Zentrum, die andere an das bereits dort ansässige Busunternehmen Piccolonia gehen.“
Nach einer solchen Aufteilung wäre für alle anderen Mieter:innen auf dem Gelände kein Platz mehr. Ob und wenn ja, welche Perspektive diesen von der Stadt geboten wird, bleibt fraglich. Saskia von Klitzing, die seit über 10 Jahren ihren Proberaum in den Reihen anmietet, findet dazu klare Worte:
„Die Stadt darf sich an dieser Stelle nicht aus der Verantwortung ziehen. Wir bitten das Liegenschaftsdezernat, in Kontakt mit allen Mieter:innen zu treten und transparent zu kommunizieren, um gemeinsam eine Lösung zu finden.“[1]
Um dieser Forderung Nachdruck zu verleihen, verabredeten sich einige der Mieter:innen am 15.12. für einen Besuch bei Oberbürgermeisterin Henriette Reker im Rathaus. Diese scheint sich jedoch trotz der Dringlichkeit der Lage auf keine unangemeldeten Gesprächsversuche einzulassen. Die Gruppe wurde nicht in ihr Büro vorgelassen, stattdessen mit der Weitergabe ihres verschriftlichten Anliegens vertröstet.
Zuletzt hatte sich das besagte Busunternehmen Piccolonia an das AZ gewandt. Geschäftsführer Markus Klein, ehemaliger Fraktionsvorsitzender der Kalker SPD, bemängelt nun, dass ihm eine Hälfte des Geländes doch nicht reiche. Außerdem sei eine direkte Nachbar:innenschaft zum AZ mit dem Betrieb seines Unternehmens nicht kompatibel. Dies stellt eine weitere, noch zu klärende Variable bezüglich dieses Standorts dar. Sollte jedoch das Busunternehmen das Gelände ganz verlassen, ließe sich eine räumliche Aufteilung der Liegenschaft unter Berücksichtigung der dortigen Mieter:innen neu konzipieren.
„Uns zeigt sich, dass ein Umzug des Autonomen Zentrums nach Kalk noch lange nicht feststeht. Hierzu müssten noch einige Unklarheiten, Problematiken und offene Fragen von Seiten der Stadtverwaltung geklärt werden, bevor das AZ diesem Standortangebot grundsätzlich zustimmen könnte“, so Sabrina Purple. „Bis dahin bleiben wir, wo wir sind: an der Luxemburger Straße. Der Nutzungsvertrag wurde jetzt wieder um ein Jahr verlängert, aber wir haben keinen Bock mehr auf die Hinhaltetaktik der Stadt!“
Die Vertragsverlängerung gilt demnach bis Ende 2023. Ob sich bis dahin sämtliche Unklarheiten und Problematiken in den Verhandlungen mit der Stadt klären lassen, ist bereits jetzt fraglich.
Solange gilt: Kein Tag ohne Autonomes Zentrum!
[1] Pressemitteilung Mieter:innengemeinschaft In den Reihen 16 vom 04.11.2022: PressemitteilungInDenReihen4.11.22
Presse:
https://www.express.de/koeln/koeln-streit-um-neuen-standort-fuer-autonomes-zentrum-82666
https://www.ksta.de/koeln/kalk/autonomes-zentrum-koeln-geplanter-umzug-verunsichert-mieter-358583
https://www.ksta.de/koeln/kalk/koeln-autonomes-zentrum-soll-auf-rechte-rheinseite-ziehen-348928