Stellungnahme des Autonomen Zentrums zu den Äußerungen des SPD-Vorsitzenden Jochen Ott im Kölner Stadtanzeiger vom 3. Juli
Mit sehr großer Verwunderung hat das Autonome Zentrum die Äußerungen des SPD-Parteivorsitzenden Jochen Ott im Kölner Stadtanzeiger vom 3. Juli zu Kenntnis genommen. Offensichtlich steht die Kölner SPD in Sachen Autonomes Zentrum unter großem Druck. Auf diesen Druck versucht sie nun strategisch mit Gegendruck zu reagieren, indem sie ausschließlich auf die „Gewaltfrage“ fokussiert und die Aktivist_innen des AZ so kollektiv zu kriminalisieren versucht.
Dass sich dahinter in erster Linie einer politische Strategie verbirgt, wird auch daran deutlich, dass von Seiten der SPD intern deutlich andere Signale gesendet werden als in dem öffentlichen Interview. So wirft Jochen Ott dem AZ in internen Gesprächen „faschistische Methoden“ vor und setzt die Aktivist_innen mit Pro Köln gleich. Anlass für diese Äußerungen ist ein satirischer Aufkleber, welcher in zugespitzter Form politisch Verantwortliche benennt, allerdings in keiner Weise zu Bedrohungen oder Angriffen gegen einzelne Personen aufruft.
Ott und SPD haben hier vollständig das Maß verloren: Eine derartige Verharmlosung und Relativierung des Faschismus ist skandalös und in keiner Weise hinnehmbar.
Nichtsdestotrotz nehmen wir die subjektive Bedrohungswahrnehmung einzelner Personen in der SPD sehr ernst. Sofern sich einzelne Vertreter_innen der Partei als private Personen angegriffen oder bedroht fühlen, war dies nie die Absicht des AZ. Wir halten es jedoch weiterhin für richtig und auch notwendig, die politisch Verantwortlichen klar zu benennen.
Und diese politische Verantwortung sieht das Autonome Zentrum weiterhin bei der SPD als Mehrheitsfraktion im Kölner Rat. Wenn die SPD nun versucht, die Verantwortung an den Oberbürgermeister und die Verwaltung weiterzugeben, missachtet sie nicht zuletzt die Tatsache, dass der Kündigung des unbefristeten AZ-Nutzungsvertrags ein auch von der SPD getragener politischer Beschluss im Rat zugrunde liegt.
Das Autonome Zentrum fordert weiterhin einen langfristigen Verbleib des Projekts in der ehemaligen KHD-Kantine in der Wiersbergstraße. Wenn Jochen Ott an dieser Stelle eine gegenteilige Beschlusslage als einziges Argument anführt, ist dies symptomatisch. Schon seit Monaten verstecken sich Stadt und SPD hinter formalen Beschlüssen, weil ihnen die Argumente fehlen: Für die Schulerweiterung wird das Gelände des AZ nicht benötigt, der geplante Grünstreifen ließe sich problemlos auch ohne Abriss der ehemaligen Kantine realisieren.
Vor diesem Hintergrund erscheint die Behauptung Otts und der SPD, man sei an einer „friedlichen Lösung“ interessiert, wenig glaubwürdig. Den Menschen im AZ Köln die Pistole auf die Brust zu setzen, mit gewaltsamer Räumung zu drohen und gleichzeitig alle Nutzer_innen und Unterstützer_innen des AZs in der Presse als Gewalttäter_innen zu diffamieren scheint uns nicht lösungsorientiert. Fast zwei Jahre lang haben sich Vertreter_innen des AZ intensiv bemüht, eine einvernehmliche Lösung zu finden. Immer wieder hat es diesbezüglich Versuche gegeben, auch mit der SPD ins Gespräch zu kommen. Und immer wieder sind wir von der SPD hingehalten und vertröstet worden – bis es dann beinahe ein Jahr lang gar keine Reaktionen mehr gab. Die Forderung von Jochen Ott, das AZ müsse erst vollständig verlassen werden, bevor weitere Gespräche möglich seien, erscheint daher geradezu grotesk: Die Besetzung des Gebäudes im Jahr 2010 war ja gerade Ausdruck der Tatsache, dass ein offensichtlich vorhandenes Anliegen von der Politik ohne Druck nicht zur Kenntnis genommen wurde.
Das AZ ist weiterhin daran interessiert, auch mit der SPD Gespräche über eine einvernehmliche und langfristige Lösung zu führen. Wir wünschen uns eine sachliche Auseinandersetzung, verbunden mit der Minimalforderung eines öffentlich bekundeten Räumungsmoratoriums. Dabei sind wir wie bisher auch bereit, über Kriterien für mögliche Ersatzobjekte zu verhandeln. Wir haben diesbezüglich sowohl den Oberbürgermeister als auch die Vertreter_innen der SPD erneut kontaktiert und um entsprechende Gesprächstermine gebeten.