Von Helmut Frangenberg, 12.04.12, 10:02h, aktualisiert 12.04.12, 10:58h
Zur Zeit deutet wenig auf eine friedliche Räumung hin – die Macher des „Autonomen Zentrums“ in Kalk trotzen der Politik. SPD und Grüne sind derweil auf der Suche nach einer Immobilie, in die man das AZ locken könnte.
Die ehemalige KHD-Kantine in Kalk: Da, wo einst Industriearbeiter essen gingen, ist zur Zeit das Autonome Zentrum zuhause. (Bild: Michael Bause)
KALK - Aufgeräumt und bestens sortiert präsentiert sich der Umsonstladen gleich neben den Regalen der kleinen Bibliothek. Die Kellerräume sind zur Nutzung hergerichtet worden, in einem Versammlungsraum treffen sich Menschen, die mittlealterliche Tänze einstudieren oder Tischtennis spielen wollen. Jugendliche aus Kalk haben die Verantwortung für einen eigenen Raum übernommen. In den großen Eingangsraum hat jemand einen Holzbalkon gezimmert. An den Wänden hängen Polit-Plakate und Einladungen zum veganen Café, zu Konzerten oder Abenden in der Nantoka-Bar. Eine Arbeitsgemeinschaft plant Programmbeiträge zum Sommerblutfestival. Nichts deutet darauf hin, dass hier bald Schluss sein könnte.Die Macher des „Autonomen Zentrums“ (AZ) in Kalk trotzen dem „Grünstreifenwahn“ der Politik, wie Rehzi Malzahn in Anspielung auf die beschlossenen Pläne zur Neuordnung des Areals sagt. Sie ist kaum zu stoppen, wenn sie über die Kölner Politik spricht. Die geplante Grünanlage sei nur ein Vorwand, um das AZ zu vertreiben; das „Rats-Diktat“ gegen das AZ sei symptomatisch für eine schlechte Stadtentwicklungspolitik unter der Überschrift „Schöner Scheitern“.
Sie träumt von einem breiten Bündnis mit Hoch- und Subkultur der Stadt, das für Vielfalt und Urbanität kämpft. „Was bietet die Stadt Jugendlichen und nicht kaufkräftigen Menschen?“, fragt sie. „Wir erreichen hier die, die von anderen Kulturangeboten der Stadt nicht erreicht werden. Wo ist der Platz, an dem sich Subkultur entfalten darf?“
Rund fünfzig Erwachsene bilden den harten Kern
Rund fünfzig junge Erwachsene gehören zum harten Kern, der hier das Programm organisiert und den nicht einfachen Anspruch einer Selbstverwaltung mit wenig Hierarchie umzusetzen versucht. Geht es nach dem Willen der Mehrheit im Stadtrat und in der Kalker Bezirksvertretung, ist das bald vorbei – zumindest an dieser Stelle. Doch die ehemaligen Besetzer der ehemalige KHD-Kantine wollen nicht freiwillig gehen.
„Ziemlich kompliziert“ sei die Lage, meint der Fraktionsvize der Grünen, Jörg Frank, zur Lage in der Kalker Wiersbergstraße. Frank hatte vor einem Jahr zusammen mit dem Fraktionschef der Linken, Jörg Detjen, zwischen Besetzern und der Sparkasse als Hausbesitzerin vermittelt, um eine Eskalation zu vermeiden, als sich Polizei und Autonome vor Barrikaden gegenüberstanden. Nun haben die Grünen sowohl dem Kauf des Gebäudes durch die Stadt wie dem damit verbundenen Abriss zugestimmt. Auch die SPD steckt in einem Dilemma: Einerseits steht sie unter dem Druck ihrer kompromisslosen Genossen im Bezirk, andererseits hat sie kein Interesse an einer Eskalation. „Grundsätzlich stehen wir für Alternativen bereit“, sagt die stellvertretende Fraktionschefin Susana dos Santos-Herrmann. „Nach Kalk passt das Zentrum aber nicht.“
Der Grüne Jörg Frank sieht das ähnlich. Gesucht werde eine Immobilie, in die man das AZ locken könnte. „Köln lebt von subkultureller Vielfalt. Da muss es auch dafür einen Platz geben.“ Wo der sein könnte, wissen bislang allerdings weder Frank noch dos Santos-Herrmann.
Die Noch-Hausherrin, die Sparkasse Köln-Bonn, sieht die Vermittler von vor einem Jahr in einer besonderen Verpflichtung. Als man einen Nutzungsvertrag mit den ehemaligen Besetzern abschloss, seien auch die Erwartungen für den Fall des Eigentümerwechsels geklärt worden. Sowohl der Vertragspartner der Sparkasse, ein Verein aus dem Umfeld der ehemaligen Besetzer, wie auch die Politiker hätten zugesagt, alles für eine friedliche Räumung zu tun, sagt Sparkassen-Sprecher Norbert Minwegen.
Dreimonatige Kündigungsfrist - danach kommen die Bagger
In dem Moment, in dem der Vertrag zwischen der Stadt und der Sparkasse über den Verkauf des Gebäudes notariell bestätigt ist, müsste die Sparkasse dem AZ kündigen. Mit dem Verein als Vertragspartner über die Nutzung als Autonomes Zentrum ist eine dreimonatige Kündigungsfrist vereinbart worden. Danach kann die Stadt die Abrissbagger schicken.
Bislang zeigen die Verantwortlichen im AZ wenig Interesse, auf die Idee einzugehen, möglicherweise an einem anderen Ort weiter zu machen. „Wir sind bewusst hierher gegangen und mittlerweile gut im Stadtteil vernetzt“, sagt Hanna Grohs. Man sieht sich als Ausdruck eines Wandels, aber auch als Gegengewicht zu einer Entwicklung, wie sie zum Beispiel im In-Stadtteil Ehrenfeld zu beobachten sei. „Da wollen wir genauso wenig hin wie an den Stadtrand“, sagt Rezhi. Die Lust auf Barrikadenkämpfe scheint nicht besonders ausgeprägt.
So bleibt unklar, was geschieht, wenn die zu erwartende Kündigung ins bemalte Haus flattert. „Wir machen nicht den Stress, den man erwartet“, sagt ein verantwortlicher. „Aber es wird coole Aktionen geben.“ Man wolle zeigen, was passiert, wenn es das AZ als selbstverwalteten Raum nicht mehr gibt. Alles, was heute drinnen stattfindet, könnte auf Kölns Straßen ausprobiert werden.